Von Wolfgang Nagorske

 

Der bekannte Historiker Heinrich August Winkler stellt in seinem jüngsten Werk die Frage „Zerbricht der Westen?“. Winkler führt den Brexit, das Erstarken rechter Parteien und auch die unbewältigte Flüchtlingskrise ins Feld. Zweifellos erweist sich Europa als unfähig, herangereifte Probleme im Konsens zu lösen. Doch der Begriff „Der Westen“ gehört zu einer vergangenen Zeit. Selbst die viel beschworenen westlichen Werte sind in ihrer Gänze nicht für alle Staaten der Europäischen Union unverrückbare Richtschnur. Zum so genannten Westen gehören heute zahlreiche osteuropäische Staaten und diese haben zur Lösung einiger drängender Probleme der Union andere Auffassungen. In der Lösung der Flüchtlingsfragen liegen sie soweit auseinander, dass man um ein Zerbrechen der europäischen Gemeinschaft fürchten muss. Wo Diplomatie gefragt ist, entscheiden Gerichte über Recht und Unrecht. Das funktioniert in der Zivilgesellschaft, im Zusammenleben von Staaten sind Gerichte ein untaugliches Mittel. Wenn Polen, Tschechien und Ungarn keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, dann muss man das respektieren und nicht mit der westlichen Arroganz des Entzuges von Wirtschaftsförderungen drohen. Das schafft neuen Unmut und baut keine Brücken der Verständigung. Europa war nicht nur wirtschaftlich, sondern auch historisch und kulturell über Jahrhunderte in einen Westen und einen Osten geteilt. Die Chance der gegenseitigen Annäherung gibt es erst seit gut zwanzig Jahren. Wenn die wirtschaftlich stärkeren Länder die wirtschaftlich schwächeren mit der Keule des Geldentzuges drohen, dann wird die Europäische Union geschwächt und zerbrechlich.


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