Von Karl Klauss

 

Damit hätte wohl niemand gerechnet. Trotz allem Tam-Tam war der Glaube an eine Einigung in letzter Minute stärker als alle Zweifel. Nun steht Deutschland zwei Monate nach der Bundestagswahl ohne eine neue Regierung da. Das hat es noch nie in 68 Jahren gegeben. Das Scheitern der Sondierungen um eine so genannte Jamaika-Koalition ist fraglos ein Scheitern an den Eitelkeiten der kleinen Parteien, die ihr Gewicht mit lediglich zehn und acht Prozent der Wählerstimmen überschätzt haben. Aber es ist auch ein Scheitern der Kanzlerin, die ohne Visionen aber mit dem ihr eigenen Aussitzen der Probleme den Boden für das Berliner Desaster bereitete. Das ist jetzt die Stunde des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Keiner seiner elf Vorgänger im Amt stand vor einer solchen Situation. Zum ersten Mal muss ein Bundespräsident, dem in der Hauptsache repräsentative Pflichten auferlegt sind, aktiv werden bei der Bildung einer neuen Regierung. In der Situation, die er vorfindet, keine einfache Aufgabe. Denn die Möglichkeit von Neuwahlen wird er an das Ende aller möglichen Optionen stellen. Jetzt ist die Kunst des Vermittelns gefragt. Gelingt es ihm, die SPD von ihrem kategorischen Nein zu einer erneuten großen Koalition mit der CDU abzubringen? Es bedarf wohl mehr als der hehren Worte von der politischen Verantwortung, um die Partei, der auch Steinmeier angehört, umzustimmen. Da niemand mit dem Neuling im Bundestag, der AfD, zusammenarbeiten will, bleibt nach dem Aus von Jamaika eine große Koalition die einzige denkbare Alternative. Denn eine Minderheitsregierung wird es wohl unter einer Kanzlerin Merkel nicht geben.

Seit dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen weiß auch Europa: Deutschland ist nicht mehr ein Haus, in dem die Leichtigkeit des Seins zu Hause ist.


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