Von Wolfgang Nagorske

 

Es ist schon erstaunlich, wie variantenreich Politiker Wahlergebnisse interpretieren. Zu erleben war dies wieder bei den Landtagswahlen am Sonntag in Brandenburg und Sachsen. Die SPD in Brandenburg feierte sich ebenso wie die CDU in Sachsen als die großen Gewinner der Wahlen. Dabei verloren die Genossen in Potsdam fast sechs Prozent der Stimmen gegenüber der letzten Wahl vor fünf Jahren. 26,2 Prozent der Stimmen reichten diesmal zum Sieg, bei den Wahlen 1994 errang die SPD mit Manfred Stolpe noch die absolute Mehrheit. In 25 Jahren hat sich die Zustimmung der Wähler zu den Sozialdemokraten halbiert. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Sachsen. Hier gewann die CDU in den 1990ger Jahren unter Kurt Biedenkopf ebenfalls die absolute Mehrheit. Mit jetzt 32,1 Prozent hat die CDU ebenfalls in 25 Jahren nahezu die Hälfte der Wähler in ihrem ostdeutschen Stammland verloren. Gegenüber den Wahlen von 2014 verloren die Christdemokraten über sieben Prozent der Stimmen. Doch von Nachdenklichkeit bei den Gewinnern ist in Potsdam ebenso wenig zu spüren wie in Dresden. Gewonnen haben in beiden Bundesländern nur die AFD in Brandenburg mit einem Stimmenzuwachs von über 11 Prozent und in Sachsen von fast 18 Prozent, und die Grünen in Potsdam mit über vier Prozent und in Dresden mit fast drei Prozent Zuwachs an Stimmen. Die SPD in Brandenburg und die CDU in Sachsen sind stärkste Partei geblieben und atmen auf. Sie spüren deutlich den Atem der AFD im Nacken. Man hat wieder fünf Jahre Zeit gewonnen und hofft dann zu alter Stärke zurück zu kommen. Das setzt allerdings ein Umdenken im Umgang mit der AFD voraus. Eine Verteufelung dieser Partei, das hat der vergangene Sonntag erneut gezeigt, macht sie nur stärker. Und mit der Charakterisierung der AFD als rechtsextremistisch und rechtsradikal sollte man vorsichtig sein. Nach dieser Logik wären jeder vierte Sachse und Brandenburger Menschen mit rechtsradikalem Gedankengut. Wenn die ehemaligen Volksparteien nach dieser Wahl wieder in ein „weiter so" verfallen, kann es bei den nächsten Wahlen ein böses Erwachen geben.


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