Von Wolfgang Nagorske

 

Enteignung. Bei diesem Wort zuckt das Establishment in Deutschland zusammen. Enteignung, das bedeutet Sozialismus und wo der in der DDR hinführte, das hat man noch deutlich in Erinnerung. Das ist allerdings oberflächlich betrachtet, denn auch in der Bundesrepublik gab es Enteignungen. Der IG Farben Konzern zum Beispiel, oder Teile der Konzerne Flick und Krupp, wegen ihrer schwersten Verstrickungen im System der Nazi-Diktatur. Doch das ist weit entrückt. Enteignung heißt Sozialismus, Enteignung heißt Ende der Marktwirtschaft. Nun fällt es schwer im Grundgesetz eine sozialistische Handschrift zu erkennen und dennoch haben die Väter der Verfassung die Möglichkeit von Enteignung ausdrücklich in Paragrafen verfasst, wenn in einer Sache das Allgemeinwohl Schaden nimmt. Diesen Zustand sehen zehntausende Mieter von Wohnungen, vornehmlich in deutschen Großstädten, für gegeben und haben nach mächtigen Demonstrationen ein Volksbegehren initiiert, das in einen Volksentscheid münden soll. Die Wut der Mieter richtet sich gegen maßlose Mietsteigerungen von Wohnungsunternehmen, wo auch gut verdienende Familien vor der Schmerzgrenze stehen, und hat die Politik aufgeschreckt. Die Wut sollte sich aber auch gegen Politiker richten, die vor Jahren zehntausende kommunale Wohnungen in einem Anflug von politischer Kurzsichtigkeit zu einem Spottpreis an eben jene Wohnungskonzerne verkauften, um ihre klammen Staatskassen zu füllen. Es ist auch die Politik, die schlichtweg eine Forcierung des sozialen Wohnungsbaus in den vergangenen Jahren verschlafen hat und auch nicht aufwachte, als jährlich über 40 000 Menschen aus der ganzen Republik allein nach Berlin zogen. Das auch Flüchtlinge irgendwann aus Containern in Wohnungen ziehen ist wohl übersehen worden, denn wir haben ja kein Flüchtlingsproblem. Und dennoch, was geht in den Köpfen, oder wohl besser gefragt in den Herzen jener Immobilienspekulanten vor, die im Anblick der Wohnungsnot die Champagnerkorken knallen lassen. Selbst das Wort Enteignung im Falle eines Falles bringt sie nicht aus der Ruhe. Es winkt ja dann eine saftige Entschädigung.


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