Von Wolfgang Nagorske

 

Die deutschen Leichtathleten haben einen großen Leistungssprung gemacht und zählen in Europa wieder zu den führenden Nationen. Das hat jüngst wieder die Europameisterschaft in Berlin gezeigt. Diese Europameisterschaft war aber auch in anderer Hinsicht mehr als bemerkenswert. Zum Finaltag strömten über 60 000 Zuschauer ins altehrwürdige Berliner Olympiastadion, selbst die Vorkämpfe an den Vormittagen waren gut besucht. Und die 60 000 Zuschauer entfachten eine Stimmung, wie sie die Leichtathleten vielleicht nur bei Olympia erleben. Bejubelt wurde jede Leistung und bei weitem nicht nur die der großartigen deutschen Athleten. So sprudelte es aus dem Mund von Athleten heraus: „So etwas werde ich nie wieder erleben." Und: „Das Olympiastadion ist eines der schönsten Stadien der Welt, eines mit Geschichte", sagte unumwunden die neue Europameisterin im Speerwerfen Christin Hussong. Dieser Satz war auch in Richtung all jener gesagt, die immer mal wieder das Olympiastadion umbauen oder ganz abreißen wollen. In jüngster Zeit ist es vor allem der Berliner Fußballverein Hertha BSC, der die blaue Tartanbahn verschwinden lassen möchte für ein reines Fußballstadion. Die Hertha-Verantwortlichen sind mit dem Zuschauer-Zuspruch von rund 45 000 nicht zufrieden und machen dafür die Ferne von grünem Rasen und Zuschauertribünen verantwortlich. Aber könnte es auch die fußballerische Leistung sein? Die letzte deutsche Meisterschaft liegt fast 90 Jahre zurück und das die Meisterschale in den nächsten Jahren nach Berlin kommt ist auch eher unwahrscheinlich. Als die rauschende Party der Leichtathleten sich dem Ende neigte und als die Tiefstrahler allmählich verloschen, fragte die Vizeeuropameisterin im Kugelstoßen Christina Schwanitz: „Warum ist Frau Merkel nicht da?" So ein Fest und die Kanzlerin fehlt. Gemessen an ihrem Flug nach Rio vor vier Jahren, als die Fußballer Weltmeister wurden, ist es vom Kanzleramt ins Olympiastadion nur ein Steinwurf. Viele Athleten schüttelten nur den Kopf. „Das zeige nur den Stellenwert den wir haben. Wir sind halt nur Amateure." Ein Satz der nachdenklich stimmt.


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