Mehr Staat oder mehr Privat

Von Wolfgang Nagorske

Es ist eine Grundfrage jeglicher Ökonomie seit der Herausbildung moderner Industriestaaten gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Gilt die Freiheit des Kapitals oder soll der Staat den Rahmen und entsprechende Regeln schaffen, in dem das Privatkapital eine wichtige Rolle spielt. Diese Grundfrage hat sich gegenwärtig wieder in die deutsche Tagespolitik eingeschlichen. Noch gibt es keine neue Regierung nach den Bundestagswahlen, doch in den Gesprächen zwischen SPD, Grüne und FDP melden die Liberalen bereits ihren Anspruch auf das wichtige Finanzressort an. Dahinter steht der Chef der Freien Demokraten Christian Lindner. Er wäre gern Finanzminister der neuen Regierung und präsentierte bereits seine Vorstellungen. Es brauche einen Finanzminister, so Lindner, der dafür Sorge trage, dass privates Kapital bei den Mammutaufgaben wie der Bekämpfung des Klimawandels mobilisiert werde. Dieser Vorschlag sorgte bei dem Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz aus den USA für Entrüstung. Stiglitz spricht sich dafür aus, dass der Staat öffentliche Investitionen massiv erhöht und die europäischen Haushaltsregeln lockert. Nur so könnten die Herausforderungen bewältigt und Europa zusammengehalten werden. Stiglitz befürchtet, dass das benötigte Kapital zur Überwindung der Corona-Folgen überhaupt nicht durch private Investitionen aufgebracht werden könnte. Kapital ist scheu und würde nur in die Bereiche fließen, wo eine schnelle Rendite zu erwarten sei. Aber wer investiert schon in eine nötige Infrastruktur, wo finanzielle Rückflüsse, wenn überhaupt, erst in Jahrzehnten zu erwarten sind. Allerdings. Privates Kapital ist relativ schnell verfügbar bei entsprechenden Anreizen. Staatliche Investitionen durchlaufen langwierige Prüfungsinstanzen. Hierauf hatte Ludwig Erhard in der Nachkriegszeit seine erfolgreiche These gesetzt: Der Staat setzt den Rahmen, in dem sich öffentliche und private Investitionen entfalten können. Erhard konnte sich mit einem „entweder oder“ nicht anfreunden und hatte Erfolg.


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