ARD und ZDF wackeln

Von Wolfgang Nagorske

Den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten laufen nicht nur prominente Moderatoren davon, sondern offensichtlich auch die Zuschauer. Davon profitiert vor allem der Privatsender RTL. Das Tagesschau-Urgestein Jan Hofer nahm seinen Hut und heuert ebenso wie die Tagesthemen-Moderatorin Pinar Atalay beim Kölner Sender RTL an. Die beliebte Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis und der bekannte Sportreporter Matthias Opdenhövel sind ab September gemeinsam bei ProSieben zu erleben. Ja, und Florian Silbereisen flattert mal her und mal hin, lässt sich bei ARD und ZDF nicht festnageln und ist demnächst ebenfalls bei RTL zu sehen. Bei den Öffentlich-rechtlichen scheinen die Nerven blank zu liegen. Das zeigt auch der Fall der langjährigen WDR-Journalistin Simone Standl. Siebzehn Jahre lang moderierte sie das Format „Lokalzeit“. Simone Standl war ein beliebtes Gesicht des Westdeutschen Rundfunks. Zu ihrem plötzlichen Rauswurf sagt sie: „Natürlich hat jeder Arbeitgeber das Recht, etwas anderes auszuprobieren, aber dann muss man anständig mit den Leuten umgehen. Ich stehe seit 27 Jahren beim WDR vor der Kamera, seit 1998 regelmäßig. Wir sind hier alle tief frustriert, das Klima ist nicht mehr schön." Simone Standl hat die nicht mehr zeitgemäßen Zustände bei ihrem Sender kritisiert. Offenbar ist Kritik bei den Sender-Verantwortlichen nicht erwünscht. Deshalb musste sie gehen. In einer ZDF-Sendung mahnte der Politiker der Linken Gregor Gysi die dramatische Abwendung der Zuschauer von den öffentlich-rechtlichen Kanälen an. Das mache ihm Sorgen, sagte Gysi und zitierte aus einer Untersuchung, nach der ARD und ZDF zwanzig Prozent ihrer Zuschauer verloren haben. Die ZDF-Moderatorin stellte diese Zahl nicht infrage. Vielleicht sollten die Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht immer wieder nach Gebührenerhöhungen rufen, sondern sich den Staub ihrer erfolgreichen Jahre von den Schultern schütteln und sich endlich den aktuellen Themen der Zeit stellen. Bevor es zu spät ist.