Ein Feiertag wie jeder andere

Von Wolfgang Nagorske

Nein, der 3. Oktober, der Tag der Deutschen Einheit, hat sich im Bewusstsein der Deutschen nicht als ein besonderer Tag etabliert, der auch mit besonderer Freude und Hingabe Jahr für Jahr gefeiert wird. Er hätte es verdient. Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten nach über vierzig Jahren Teilung im Jahr 1990 war ein Jahrhundertereignis, das vor dreißig Jahren niemand auf der Welt für möglich gehalten hätte. Die Wiedervereinigung wurde möglich, weil die weltpolitische Ordnung, wie sie nach dem Ende des zweiten Weltkrieges 1945 in Europa entstand, sich veränderte. In Moskau kam mit Michail Gorbatschow ein Politiker an die Macht, der die Blockbildung in Europa als nicht mehr zeitgemäß empfand. In der DDR gewannen Bürgerbewegungen im Verlauf des Jahres 1989 von Monat zu Monat an Stärke. An den machtvollen Demonstrationen im Herbst `89 zerbröselte das SED-Regime. Als die Mauer am 9. November eingerissen wurde, war die Wiedervereinigung möglich geworden. Danach verloren die Bürgerbewegungen den Einfluss auf die politische Entwicklung. In den Parteien der DDR übernahmen westdeutsche Politiker das Heft des Handelns und forcierten über die Währungsunion am 1. Juli 1990 den Weg zur Wiedervereinigung. Der 3. Oktober 1990 war der protokollarisch früheste Zeitpunkt und als solcher bürokratisch festgelegter Tag wird er von den Deutschen auch wahrgenommen. Auch wenn der 9. November durch die Pogromnacht der Nazis 1938 politisch schwer belastet ist, der 9. November 1989 war aber auch ein Zeichen der Deutschen an alle Völker, wir wollen friedlich wieder eins werden und werden unsere Schuld nicht vergessen. Die Franzosen erinnern an ihrem Nationalfeiertag am 14. Juli an den Sturm auf die Bastille 1789 und feiern ihn mit ausgelassener Freude und Stolz. Auch hier wurden damals Mauern eingerissen. Dem 3. Oktober fehlt die Strahlkraft des 9. November. Er wird ein Feiertag bleiben, an dem niemand feiert.


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