Aus Pacelli soll Golda Meir werden

Von Wolfgang Nagorske

Die Historiker Ralf Balke und Julian Reitzenstein haben eine Initiative zur Umbenennung der Pacelliallee in Berlin gestartet. Die ehemalige Cecilienallee heißt seit 1949 Pacelliallee. Eugenio Pacelli war in den 1920er und 1930er Jahren päpstlicher Nuntius in Deutschland und wurde 1939 zum Papst Pius XII. gewählt. Eugenio Pacelli war, um es diplomatisch auszudrücken, kein Freund des jüdischen Volkes. Gerade in der Nazi-Zeit hielt er sich vornehm zurück, wenn es galt die Repressalien der Nazis gegenüber den Juden in Deutschland zu verurteilen. Auch später, schon als Papst, als der systematische Völkermord am jüdischen Volk begann, fehlte ein deutliches Wort der Verurteilung. Alles das, mehr aber auch nicht, war bereits 1949 bekannt, als die Cecilienallee noch zu Lebzeiten des Papstes in Pacellialle umbenannt wurde. Der Schüssel, um die vermutlich ganze Wahrheit zu erfahren, liegt im Vatikan. Die Archive von 1939 bis 1945 hat der Vatikan bisher nicht veröffentlicht. Darum geht es aber den beiden Historikern nicht so sehr. Sie haben festgestellt, dass im Stadtteil Dahlem, in dem die Pacelliallee verläuft, nur eine einzige Straße nach einer Frau benannt ist, die Königin-Luise-Straße. Es gehe ihnen, so die Historiker, um mehr Diversität. Und da bietet sich die Pacelliallee an, denn es ist offensichtlich eine Schande, dass es eine Straße in Berlin gibt, die nach einem antisemitischen Papst benannt ist. Aus der Pacelliallee soll die Golda-Meir-Allee werden. Golda Meir war nach ihren Studienjahren in den USA eine links stehende, den Marxismus nicht verteufelnde Funktionärin einer jüdischen Gewerkschaft. Sie nahm auch als Beobachterin der Konferenz von Evian 1938 teil, als die westlichen Staaten über die Rettung von 550 000 Juden aus Deutschland und Österreich berieten. Die Konferenz ging nahezu ergebnislos zu Ende. Golda schrieb darüber: „Ich hatte Lust, aufzustehen und sie alle anzuschreien: Wisst ihr denn nicht, dass diese verdammten ‚Zahlen‘ menschliche Wesen sind, Menschen, die den Rest ihres Lebens in Konzentrationslagern oder auf der Flucht rund um den Erdball verbringen müssen wie Aussätzige, wenn ihr sie nicht aufnehmt?“ Gut dreißig Jahre später, als Ministerpräsidentin Israels, verweigerte sie den Palästinensern das Recht auf einen eigenen Staat mit unbarmherziger Härte. Historische Einordnungen sind mitunter ein schwieriges Unterfangen.


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