Aktionismus allein ist keine Lösung

Von Wolfgang Nagorske

 

Nach dem versuchten Anschlag auf eine Synagoge in Halle an der Saale, bei dem zwei Menschen ermordet wurden, setzt Hierzulande wieder der altbekannte Aktionismus ein. Führende Politiker überbieten sich in Empörung und Fassungslosigkeit und fordern schnelles Handeln, um das Leben jüdischer Menschen in Deutschland zu schützen. Mehr Verfassungsschützer und Polizisten sollen die Synagogen Tag und Nacht bewachen, schärfere Gesetze sollen rechtsradikale Straftaten ahnden. Diese Sätze fielen bereits nach den NSU-Morden, nach den Messerattacken in Berlin und den Ausschreitungen in Chemnitz im vergangenen Jahr. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, möchte man Goethe zitieren. Den starken Worten folgten keine Taten. Warum soll das diesmal anders sein? Und wenn jetzt doch endlich mehr Polizei zur Sicherung der Synagogen eingesetzt wird, kann das nur ein erster Schritt sein. Wer schützt jüdische Menschen auf offener Straße? Warum kommt es immer wieder zu Anschlägen, ja woher kommt der Hass auf jüdisches Leben? Eine Antwort, die Gesellschaft hätte versagt, ist zu billig und wirft andere Fragen auf. Wird über jüdische Geschichte und jüdisches Leben in unseren Schulen und Universitäten geredet? Offen und facettenreich und nicht mit vorgefertigten Schablonen. Wohl nicht, zumindest nicht ausreichend. Der Antisemitismus in der Welt ist von seiner Entstehung vor Jahrhunderten bis heute eine komplexe und komplizierte Erscheinung, die ihre schrecklichste und unvorstellbarste Ausprägung in der Zeit des deutschen Faschismus erlebte. Deshalb ist es richtig, dass Signale judenfeindlicher Aktionen bei uns sensibler wahrgenommen werden. Es war der israelische Schriftsteller Ephraim Kishon, der beklagte, dass in Deutschland jüdische Geschichte immer nur mit dem schrecklichen Holocaust in Verbindung gebracht wird. Jüdisches Leben, jüdische Kunst und eben jüdische Geschichte sind unendlich mehr und der Satiriker Kishon fügte oft mit einem verschmitztem Lächeln hinzu, auch wir Juden sind nicht alle Engel. In seiner intellektuellen Weltläufigkeit wird ihm das keiner als Verharmlosung der Judenverfolgung auslegen. Solche Sätze hat man im deutschen Bundestag noch nicht gehört.


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