Kolonie Ost?

Von Wolfgang Nagorske

 

Es sind Wahlen in Deutschland, im Osten werden drei Landtage gewählt. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg befürchtet vor allem die SPD einen Einbruch ihrer ohnehin schon nicht sehr starken Wählerschaft. Wohl deshalb offeriert sie ihr „Zukunftsprogramm“ für die neuen Länder und das Motto lautet „Jetzt ist unsere Zeit“. Viele Genossen im Osten fragen sich allerdings, warum ist unsere Zeit erst Jetzt gekommen und nicht schon viel früher. Den Zusammenhang von Wahlen und plötzlicher Aufmerksamkeit haben die Wähler schon längst durchschaut. Von Brandenburg abgesehen, startet die SPD im Osten von Platz vier in das Rennen um die Gunst der Wähler und die Hoffnung ist nicht allzu groß, am Ende doch noch auf dem Podest zu stehen. In Sachsen hat man nicht vergessen, dass der frühere SPD-Außenminister Gabriel nach den Montagsdemonstrationen und Übergriffen auf Asylheimen wenig differenziert von einem Pack sprach, das sich hier zusammenrotte. Näher dran an den Problemen im Osten ist das Dresdner Institut für Kulturstudien, dass eine Tagung unter dem Titel „Kolonie Ost?“ veranstaltete. Nicht wenige westdeutsche Wissenschaftler waren ob des Titels irritiert. Er suggeriere, das die neuen Länder unter einer Fremdherrschaft des Westens stehen. Als man während einer Exkursion durch Hoyerswerda fuhr, wo Zehntausende nach der Wende arbeitslos wurden und die Stadt von über 70 000 Einwohnern auf heute knapp über 30 000 schrumpfte, zog schon eine gewisse Nachdenklichkeit ein. Der SPD-Grande Egon Bahr schrieb bereits zehn Jahre nach der Wende: „Die Überzeugung von der Einheit der Nation trotz staatlicher Teilung wich der schmerzhaften Erkenntnis von der geteilten Nation in dem vereinten Staat.“ Wie konnte es dazu kommen? Eine Antwort gibt der Darmstädter Historiker Christian Meier. Mit der Übertragung der westlichen Ordnung auf den Osten, verband sich die Übernahme sehr vieler, vor allem führender Positionen durch westliche Kräfte. Rundfunk, Fernsehen, Presse wurden übernommen. Die DDR-Bürger hatten zwar das Regime besiegt, aber auf das Siegerpodium stiegen die Westdeutschen. Das klingt anders, als die Parole „Jetzt ist unsere Zeit“.


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