Gewöhnen wir uns an das Absurde?

Von Wolfgang Nagorske

 

Der französisch-rumänische Schriftsteller Eugenie Ionescu schrieb den Satz: „Wer sich an das Absurde gewöhnt hat, findet sich in unserer Zeit gut zurecht.“ Er kam zu dieser Erkenntnis in den unruhigen Zeiten zwischen und nach den beiden Weltkriegen, als er je nach politischer Situation zwischen Frankreich und Rumänien hin und her pendelte. Nach den wirren und würdelosen Diskussionen um die jüngsten Ereignisse in Chemnitz fragen sich besorgte Chemnitzer, leben wir nun in einer grauen Stadt, wie es in den Jahren nach der Wende tituliert wurde, oder in einer braunen Stadt, wie es in den vergangenen Wochen aus allen Medienkanälen zu hören war. Weder noch sagen die besonnenen Bürger, Chemnitz ist weder grau noch braun und schon gar nicht rechts oder links. Ist es nicht absurd, wie sich charakterisierende Farben und Positionen innerhalb von Stunden verändern, wie die Farben eines Chamäleons? Es ist ein Mord geschehen, vermutlich von einem Syrer, der in Deutschland Schutz suchte vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat. Dieser Syrer hätte aber gar nicht mehr in Deutschland sein dürfen weil sein Asylantrag schon vor zwei Jahren abgelehnt wurde. Eine Verwaltungspanne? Das ist absurd. Es ist eine Parallele zum Fall Amri, der vor zwei Jahren auf dem Berliner Weihnachtsmarkt zehn Menschen ermordete. Auch der Tunesier hatte kein Aufenthaltsrecht mehr in Deutschland. Der Unterschied zu Chemnitz: Niemand bezeichnete Berlin nach den Morden und Protesten als eine braune oder rechte Stadt. Besonnenheit galt damals noch. Zwei Jahre später nicht mehr. In einer von Wahlkämpfen aufgeheizten Zeit bringen sich alle Parteien in Stellung und instrumentalisieren schamlos einen Mord für ihre Zwecke. Da wird um einen offensichtlich überforderten Präsidenten des Verfassungsschutzes kontrovers debattiert, der eine Behauptung aufstellte, ohne Beweise zu präsentieren. Da zeigt die andere Seite ein Handy-Video auf dem zwei Personen hinter zwei anderen Personen hinterher rennen und daraus wurde eine Massen-Hetzjagd.

Sollen wir uns an das Absurde gewöhnen?


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.