Der Ball rollt

Von Wolfgang Nagorske

Nun rollt er endlich, der Ball. Tausende Prognosen und Tipps über die ersten Spielausgänge bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland erwiesen sich als Fehldiagnose und lösten einen Sturm von kontroversen Diskussionen unter Experten und an den Stammtischen aus. Das aber ist es, was den unbeschreiblichen Reiz des Phänomen Fußball ausmacht. Weshalb das runde Leder seit über hundert Jahren Millionen Fans in die Stadien oder vor den Fernsehschirmen zieht. Und bei einer Weltmeisterschaft erst recht. Mitunter gewinnt man in den deutschen Medien jedoch den Eindruck, dass es diesmal um etwas anderes geht. Es sind nicht die Spiele der teilnehmenden 32 Nationen und der Fans weltweit auf allen Kontinenten, sondern die Weltmeisterschaft eines gewissen Herrn Putin. Der russische Präsident sonne sich im Geflacker eines weltweiten Medieninteresses, um damit von seinem autokratischen Herrschergehabe abzulenken. Da ist es wieder, das Schwarz-Weiß-Denken, wenn es darum geht, mit dem Fußball Politik zu machen. Als ob die Weltmeisterschaften in Brasilien und Südafrika eingebettet im Mantel der Demokratie stattfanden und in Ländern, wo das Wort Korruption vollkommen unbekannt ist. Oh Gott, oh Gott. Und ja, auch bei uns Deutschen im Jahre 2006 soll ja auch nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Die russischen Menschen sind großartige Gastgeber, freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend. Das bestätigen alle Mannschaften und ihre Fans. Können wir nicht einfach den Ball mal rollen lassen und uns an der farbenfrohen Begeisterung auf den Rängen erfreuen? Wer versucht den Ball in die politische Ecke zu flanken, der landet mit Sicherheit im Abseits.